Freitag, 10. Dezember 2010

2011: Nicht das Verlorenen betrauern sondern das Anwesende erkennen.



auch 2011 interveniert Bernhard Kathan vor Ort.


geboren 1953 in Fraxern, Kulturhistoriker, Schriftsteller und Künstler; lebt in Innsbruck.
www.hiddenmuseum.net

Freitag, 10. September 2010

Der prättigauer Wandersmann




Martin Walch hat mit seiner Kamera kurz nach dem Tricklaster St. Antönien erreicht.

Freitag, 20. August 2010

Kuhstall bei Nacht in St.ANTÖNIEN




Kuhstall bei Nacht von Bernhard Kathan
Samstag/Sonntag, 28.+29. August ab 15.oo Uhr im Tricklaster auf dem Parkplatz oberhalb der Kirche in CH-7246 St.Antönien

Es ist noch nicht lange her, da lebten Menschen in Stallwohnungen. Kinder wurden in kalten Nächten zum Schlafen in Krippen gelegt, war es im Stall doch wärmer als in Kammern ohne Öfen. Wie eng die Bindung von Mensch und Tier war, macht etwa deutlich, dass mancherorts ein Todesfall im Haus den Kühen angesagt werden musste. Man fürchtete, diese würden sonst keine Milch mehr geben. Kleine Bauern konnte ein Gefühl von Trauer überfallen, blieb ein Platz im Stall leer, wurde eine Kuh verkauft oder geschlachtet, stand der ganze Stall leer, hatte man das Vieh auf die Alm getrieben. Die kleinen Bauern lebten mit ihren Kühen oft Wand an Wand, nur durch eine Holzwand getrennt, sie schliefen in Räumen, in denen Wiederkäu- und Atemgeräusche zu hören waren. Wer sich daran erinnert, weiß um das Beruhigende solcher Geräusche. Längst sind die Räume der Bauern von denen des Viehs getrennt. In wenigen Jahren wird es kaum noch einen Anbindestall geben, in dem sich das hören ließe, was über Jahrhunderte hinweg den kleinen Bauern sehr vertraut war. Heute bietet sich die letzte Gelegenheit, dies zu dokumentieren. Zwar hört man auch in heutigen Laufställen atmende und wiederkäuende Kühe, aber es sind nicht mehr dieselben Geräusche. Laufställe haben immer etwas Unruhiges. In Anbindeställen waren alle Kühe demselben Rhythmus unterworfen, wodurch sich während der Nacht eine ganz andere, sehr eindringliche Art von Ruhe einstellte.

Das entstandene Klangmaterial soll, zu einer festgesetzten Uhrzeit als Klanginstallation im Tricklaster zu hören sein, der in Dorfnähe abgestellt wird. Die Ladefläche wird mit frischem Bergheu bedeckt, so dass das Ganze einem Ruheraum gleichkommt.

Ich werde mich an den entsprechenden Tagen zur selben Zeit in einem örtlichen Gasthaus einfinden und mich mit jedem, der möchte, über Kühe, Rinder, Rinderhaltung, Entwicklungen der Rinderhaltung, die kulturgeschichtliche Bedeutung des Rindes, über künstliche Besamung, Embryonentransfer, die Automatisierung in der Rinderhaltung, über mögliche Entwicklungen der Rinderhaltung im Alpenraum und so fort unterhalten. Es kann um Kunst-Kühe und Kuh-Kunst gehen, etwa Bezug nehmend auf jenen beiden auf jene beiden Rinderfotos, die E.L. Kirchner 1919 auf der Stafelalp gemacht hat

Bernhard Kathan, geboren 1953 in Fraxern, Kulturhistoriker, Schriftsteller und Künstler; lebt in Innsbruck.
www.hiddenmuseum.net

Sonntag, 4. April 2010

die besprochen Sammlung

Birgit Kempker, Freitag 5. März, Ascharina, die besprochene Sammlung.

Die Sammlung von Paula Egli,
die sie mir zeigt, sind Beinechüe, nicht deutsch Beinenkühe, nein, so, wie sie es selber dazu sagt, schweizerisch: Beinechüe, Gebein, das im Spiel, früher, als die Kinder noch mit Beinechüe spielten, Kühe repräsentiert. Kleine Kühe, grosse Kühe, Babykühe, trächtige Kühe und Mutterkühe. Was für Gebein? Wir stellen die geschnitzten Kühe von Paula (aus Holz) auf den Tisch, um genau festzulegen, wo im Tier diese Gelenke sitzen. Gaudenz vermutet, es sei das Knie. Auch Paula denkt das, zeigt aber auf eine Stelle unter dem Knie. Gemeint sind die Astragali, die Sprunggelenkknöchelchen, Teile des Mittelfussknochens bei den Paarhufern, und zwar jeweils bei den Hinterbeinen, besonders von Rehen, Ziegen, Schafen, Hirschen, aber auch von Kühen, Kälbern und Schweinen. Die Beinechüe treten paarweise auf, linkes und rechtes Hinterbein. Ein geschwisterlicher Aspekt. Die Knochen sind leicht, einige beschädigt, einige vom Metzger, andere vielleicht schon im Tier selbst, als es lebte. Sie werden 5 bis 6 Stunden ausgekocht, in Essig gelegt und dann geschrubbt, bis die Knorpelreste verschwinden. Die Beinechüe sind so klein wie ein Fingerknöchelchen, wenn sie von Ziegenbabys sind oder von Lämmern, die grössten sind von Kühen und so gross wie eine Kinderfaust. Wegen ihrer zwei Höcker sehen sie aus wie Kühe. Die Kinder von Paula und Gaudenz Egli spielten nie mit diesen Knochen. Trotzdem sammelt Paula die Beinechüe und fügt ihnen bis heute neue hinzu. Der jüngste liegt noch im Essig, als ich in Ascharina in der Küche sitze und die Knochenkühe ansehe, in der Hand halte, versuche, sie zu fotografieren und mich über ihren Sound freue und wie geheimnisvoll sie sind. Ich sehe Marina Abramovic, Künstlerin, auf einem Berg von Rinderknochen sitzen, Fleischreste von den Knochen bürsten. Ich stelle mir vor, wie Inge Müller, Dichterin, die Leichen ihrer Eltern aus den Trümmern zieht. Ich sehe Dämonen auf Knochen flöten und denke an die Knochenatmung, eine alte chinesische Geheimtechnik der Kraftgewinnung. Warum sie das macht, diese Knochen kochen, putzen und sammeln? Paula sagt, sie wissen es nicht. Keiner sei ihr lieber als ein anderer. Die grossen genauso Teil der Sammlung wie die kleinen. Als Kind sei es darum gegangen, im Spiel die Kühe an einem Bindfaden durch ein Loch im Knochen gezogen, auf den Markt zu führen, Kälber zu bekommen, die Kühe zu füttern, zu melken und eine ganze Herde in den Stall zu bringen, wer die meisten Kühe hat, ist am besten dran und immer gibt es ein Geschwister, das eine Kuh mehr hat, oder eine kleine, oder eine noch grössere, - ist das die Antwort auf die Frage: warum?
Es seien meist Buben gewesen, die mit den Knochen Kühe spielten. Sie sammle halt Altertümer. Zu Knochen Altertümer sagen, ist schon ein spezieller Stil, er gefällt mir. Diese Beinechüegeschichte gibt Paula so eine Art Nimbus, einen Animushauch.

Diese Gelenke sind am lebendigen Tier eine Schnittstelle zwischen innen und aussen, zwischen Haut, Fleisch, Knochen und Kraft. Es fliesst Blut durch und kommt Luft und Gras und Erde und Wasser dran. Es ist die Stelle am Tier, wo das Skelett sichtbar ist. Menschen haben eine solche Stelle nicht, und wenn sie eine solche hätten, wären sie an dieser Stelle wund oder sehr verwundbar.

Vor zwei Jahren habe sie mit dem Sammeln aufgehört, sagt Paula, dieser Knochen da im Essig sei ihr letzter, das war vor zwei Monaten. Sie legt ihn mir in die Hand. Ich glaube nicht, dass es geht, damit aufzuhören, nicht einfach so.

Heute verbleibe nach der Schlachtung dieser Knöchel am Schlachtkörper, lese ich, er ist nur zusammen mit der Keule zu kaufen, technisch sei es für den modernen Metzer nicht möglich, ihn zu isolieren, erst recht nicht, ohne ihn dabei zu beschädigen. Schon vor 40 000 Jahren haben Kinder in Südfrankreich mit den Knöchelchen gespielt. Das lateinische Astragali heisst übersetzt Buckelhörner. Es gibt vom hundsgemeinen Knobeln bis zum Astralkörper anregendem Orakelwerfen eine Menge Spiele mit den Knöcheln, meist werden sie als Würfel benutzt. Bei den Geschicklichkeitsspielen werden sie geworfen und wieder aufgefangen oder gesammelt. Meist sind es 5 Knöchel, einer davon ist rot und wird Vater genannt. Bei den Spielanleitungen kommt es zu so schönen oder gleichzeitig mysteriösen Sätze, wie im Spiel „Pentelitha“ ( da wirft man die Knöchel in die Luft und fängt sie mit dem Handrücken wieder auf, die auf den Tisch fallen, werden mit der Hand aufgesammelt, ohne dass die auf dem Handrücken liegen, runter fallen dürfen): „Man fängt den Vater (rotes Knöchelchen) aus der Luft bevor er fällt.“

Ein anderes Knöchelspiel heisst Tali. Oft wurden die Knöchelchen mit Bronze, Blei, Gold, Zinn oder Gold ausgegossen und als Talismann getragen. Sie bringen Glück. Sie können auch Text oder Orakelsprüche produzieren. Die Oulipoeten haben damit gearbeitet, so gesehen Paula eine latente Oulipoetin.

Vor zwei Jahren habe sie mit dem Sammeln aufgehört, sagt Paula, dieser Knochen da im Essig sei ihr letzter, das war vor zwei Monaten. Sie legt ihn mir in die Hand. Ich glaube nicht, dass es geht, damit aufzuhören, nicht einfach so.

Die Knochenkühe in der Hand, werden die eigenen Handknöchelchen und alle anderen Knochen, und die Frage, was mit diesen Knochen mal passiert, lebendig. Diese Knochen sind magisch Objekte. Magische Objekte. Übergangsbeine. Nein, sie habe noch nie von den Beinechüe geträumt, sagt Paula.


Dienstag, 9. Februar 2010

die hängenden Tiere


Auch der Tierarzt Riccardo Dalla Costa, ist einer derjeneigen die den alten Brauch , in Tieren aus Stoff oder Haaren, seine Hoffnungen, Wünsche, Ängste und Geheimnisse zu platzieren, um sie auf diese ART zu hegen und pflegen, zu füttern und mit Verlustängsten und andern schwierigen Gefühlen fertig zu werden...